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War's Liebe?

Ganz sachte und unbemerkt war der Frühling in das einsame Tal geschlichen. Bäume und Sträucher begannen die Knospen zu öffnen, um zu sehen, wer es wagte, sie jetzt schon aufzuwecken. Zu gerne hätten sie noch weiter geträumt. Aber vorwitzige Sonnenstrahlen rieben ihnen den Winterschlaf aus den grünen Augen.

Blumenkinder schlafen aber wie Menschenkinder gerne lange und so hatte Frau Sonne mächtig zu tun, sie an die Oberfläche zu locken. Deshalb bimmelten die Buschwindröschen so laut, dass auch die gelb leuchtende Schlüsselblume aufgeweckt wurde und aus ihrem Bett schlüpfte. Verwundert sah sie, dass ihr Spielteppich bereits gewebt war und freute sich auf die schönen Tage.

Die Schlüsselblume wuchs und wuchs an einem langen Stängel empor um sich umzusehen, ob es denn schon Nachbarn gäbe. Ihre Blütenaugen hatten Rundumsicht. Aber sie stand ganz alleine da und wenn es möglich gewesen wäre, wäre sie am liebsten wieder in den Schoß von Mutter Erde zurückgeschlüpft. Aber, das wissen wir alle, geboren ist geboren endgültig und unumkehrbar. Die Schlüsselblume war sehr traurig, so ganz alleine und noch so jung auf diese Welt gekommen zu sein.

In ihrem Schlüsselblumenherzen träumte sie von einem Freund, mit dem sie auf diesem wunderbaren grün gewebten Teppich tanzen könnte. Die gelben Glöckchen hingen traurig am Stängel und wollten einfach nicht zu klingen beginnen. Vergeblich versuchte Frau Sonne sie aufzuheitern, aber sie behielt ihre Kelche geschlossen und die Tautropfen flossen aus ihnen jeden Morgen, wie Tränen aus den Augen eines Mädchens, welches seinen Geliebten verlor.

So vergingen Tage der Trauer und Einsamkeit. Die Schlüsselblume ließ sich selbst nicht vom milden Mondlicht und dem Glanz der Sterne trösten, die nachts auf die Wiese herabblinkten.

Am Waldrand, der den grünen Grasteppich einrahmte, begann es unter einem Holderstrauch im trockenen Herbstlaub zu rascheln. Ein Igel, der gerade aus dem Winterschlaf erwacht war, rieb sich erstaunt die Äuglein, als sich direkt vor ihm etwas aus dem Laub heraus schob.

Erst kamen einige samtige grüne Blättchen und dann genau dazwischen ein dunkelblaues Veilchen. Es öffnete sich mit einem „Uhaa“-Gähnen, um den Winterschlaf abzuschütteln.

Es begann sogleich so arg zu duften, dass der Igel sein Schnäuzchen in die Luft reckte und auf seinen kurzen Beinen schnurstracks davonlief. Nun stand es da in seinen Duft gehüllt. Ganz alleine unter dem hohen Holderstrauch und niemand wollte an ihm riechen. Das Veilchen fühlte sich genau so einsam wie die Schlüsselblume mitten in der Wiese.

Das alles sah in der nächsten Nacht der Stern aller Liebenden: Frau Venus. Diese überlegte nun, wie sie die beiden einsamen Herzen zusammenfügen könnte.

Als der helle Tag die dunkle Nacht ablöste, traf die Venus auf Gott Amor, der für die Liebe am Tage zuständig war und bat ihn, doch einen Liebespfeil auf die Schlüsselblume und das Veilchen abzuschießen. Aber die Herzen der beiden Blumen waren ein viel zu kleines Ziel und so sandte Gott Amor eine Nachricht an Aurora, die Göttin der Morgenröte, mit der Bitte, doch einen ihrer zart geflügelten Boten, einen Schmetterling auf die Erde zu senden. Dieser sollte den beiden einsamen Herzen eine Liebesbrücke bauen. Von Herz zu Herz, sozusagen.

Der Aurorafalter setzte sich zuerst auf das dunkelblaue Veilchen und nahm von ihm den duftenden Nektar auf und flatterte dann zur Schlüsselblume. Von der Schlüsselblume brachte er wohlriechende Pollen zum Veilchen und nun wussten sie: Sie sind nicht alleine auf dieser Welt.

Der geflügelte Bote flatterte nun unaufhörlich als Postillon d´ amour hin und her und überbrachte viele Liebesgrüße, wie es Liebende sonst mit Briefen machen, die in rosa Kuverts stecken, wenn sie getrennt voneinander sein müssen.

Der Frühling war schon dabei, die Jahreszeit mit dem Sommer zu tauschen, da betraten eines sonnigen Nachmittags zwei junge Menschen den Grasteppich. Der junge Mann sah sich um und sah auf der Wiese die Schlüsselblume und am Waldrand das Veilchen. Er pflückte beide und steckte sie zusammen an das Mieder des Mädchens.

Die zwei Blumenkinder sahen sich jetzt zum ersten Mal und die Schlüsselblume klingelte ganz aufgeregt und umschloss das Veilchen, das vor Liebe und Aufregung so stark zu duften begann, dass die Menschenkinder davon ganz betört waren. Sie sanken sich in die Arme und niemand hätte sie je wieder voneinander trennen können.

Gott Amor hatte jetzt ein leichtes Zielen und durchbohrte ihre beiden lodernden, heiß pochenden Herzen mit seinem Liebespfeil.

Eine Amsel, hoch oben auf einem Baum, hatte alles gesehen und sang ihre schönsten Liebeslieder.



Text: Fiddigeigei
Illustrationen: egalis

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