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Fliegen kann ja so schön sein! g

Von tastifix Samstag 04.05.2024, 07:47 – geändert Mittwoch 08.05.2024, 07:35

Mein Flug nach Mallorca würde in einer Stunde starten. Bester Laune checke ich ein, denn mich erwarten drei Wochen Faulenzen pur.
„Mal überhaupt kein Stress!“
Pünktlich wird aufgerufen und alle steigen munter in die Maschine. Übers ganze Gesicht strahlend begrüßt mich eine Flugbegleiterin:
„Hallo und einen angenehmen Flug!“
Ich stutze. Irgendwie scheint mir deren Lächeln fast eine Spurt zu charmant zu sein.
´Quatsch. Einbildung!`

Jeder sucht seinen Platz auf. Einige erfahren einen besonders vorzüglichern Service, denn auf den gebuchten Sesseln hocken überaus hilfsbereite Mitmenschen und unterziehen jene einem strengen Sitzkomforttest. Deren rechtmäßige Meiter quittieren es jedoch ziemlich süßsaurer Miene. Platznummern werden verglichen, jene hilfsbereiten Geister verschwinden denn beleidigt auffallend fix, kämpfen sich durch den Mittelgang und lassen sich irgendwann stöhnend auf den eigenen Sesseln nieder.

Kurz darauf sind sämtliche Plätze besetzt. Trotzdem versiegt der Strom der Passagiere keinesfalls.
„Irgendetwas stimmt hier nicht! - Stewardess?“
„Ja, bitte, wie kann ich Ihnen helfen?“
„All die Leute ... Wo sollen die denn noch sitzen?“
„Sitzen?“, fragt die junge Dame fröhlich zurück.
„Wiiee??“
„Sie haben Stehplätze gebucht!“
Ich glaube, mich verhört zu haben.
´Reisekoller! Du hast nen Reisekoller!`, sage ich mir.

Inzwischen herrscht im Mittelgang extreme Enge.
„Ob das die Stehplätze sind? Hm!“
„Meine Damen und Herren. Willkommen an Bord! Bitte schnallen Sie sich jetzt an. Wir starten in wenigen Minuten.“
Zweifelnd mustere ich die Umstehenden:
„Wie sollen die denn ... ?“
An den Seiten der Sessel fallen mir so eigenartige Eisenringe auf, durch die lange Leinen gezogen sind. Die Stewardess kämpft sich von Passagier zu Passagier durch, windet ihnen die Leine um den Bauch und fesselt sie mit deren Ende an den Eisenring. So hübsch nebeneinander aufgereiht wie die Hühner auf der Stange verharren die Armen fast bewegungsunfähig auf der Stelle. Damit sie es dennoch gemütlich haben sollen, schiebt ihnen die junge Dame ein Sofakissen in den Rücken. Darauf dann noch eine Nackenrolle für den Fall, dass sich jemand zu einem Nickerchen entschließt. Denn der Kunde ist Kömig.
„Schlafen kann man bekanntlich sogar im Stehen!“
und erinnere mich daran, dass ich früher mal nach einem anstrengenden Arbeitstag mit der Hand am Einkaufswagen im Supermarkt ins Traumland entflohen war. Meine Schuld war es ja nicht, dass die Kassiererin, eindeutig gleichfalls völlig erschöpft, ihre Arbeit nur noch wie im Halbschlaf erledigte.

Jetzt aber startet die Maschine. Gespannt beobachte ich die aufgereihten Hühner:
´Donnerwetter! Echt sportlich!`
Brav, ohne umzukippen, stehen sie sich heldenhaft die Beine in den Bauch und loben sich deswegen gegenseitig über den Klee. Gemeinsames Leid fördert bekanntlich die Sensibilität füreinander.
„Dauert ja nur eine gute Stunde!“, tröstet ein Kavalier eine neben ihm stehende Dame, die daraufhin noch gequälter lächelt als ohnehin schon.

Die Minuten vergehen. Das gequälte Lächeln der Dame lächelt nicht mehr. Dagegen scheint jenes weibliche Wesen einer Ohnmacht nahe zu sein. Bleich geworden röchelt es laut.
„Stewardess, schnell!“, fordert daraufhin der besagte Kavalier.
Bewaffnet mit einem Becher Cola mit Strohhalm eilt diese herbei, drückt der Dame den Becher in die Hand und den Strohhalm zwischen die Lippen:
„Trinken Sie!“
Die Hälfte des köstlichen Nass tropft daneben und auf die schicke Bluse der Dame:
´Vielleicht braucht die ja auch ein Aufputschmittel!`
Die Umnachtungskandidatin entkommt knapp der Gefahr des unfreiwilligen Schlafes, ist fix erheblich weniger blass und findet auch die Sprache wieder:
„So etwas ist mir noch nie geboten worden. Unerhört!“
´Stimmt, und das wirst Du mit Sicherheit nicht wieder vergesse!!`, denke ich.

Während der restlichen Flugzeit schleppt die Stewardess unentwegt Becher plus Strohhalme hin und her und stopft mit den letzteren beleidigten oder auch wie in Trance schwankenden Passagieren den Mund. So bleiben ihr deftige Vorwürfe erspart und ihre Ohren genießen den Urlaub. Trotz der Hilfsaktionen bildet sich eine Beine-einknick-Formation. Offensichtlich hat die Fluggesellschaft die Standfestigkeit ihrer zahlreichen Könige total überschätzt. Selten habe ich einander fremde Menschen so innig vereint gesehen. Umschlungen hocken sie dort, den Kopf an die Schulter des Nebenmannes gelehnt.

Nach eingehender Beratung entschließen sich der besorgte Pilot und die Crew zu einer sehr ungewöhnlichen, aber leider genauso unumgänglichen Rettungsaktion für all jene bemitleidenswerten Geschöpfe:
„Ohne tatkräftige Unterstützung kriegen wir die hier nie wieder raus!“
Wie gut nur für sie, dass die Betroffenen sowieso schon kaum mehr etwas mitbekommen, also die dann nachfolgende degradierende Aktion gar nicht registrieren werden. Denn die Jammerlappen werden oben auf die Gepäckberge gestapelt und reisen mit ihnen zu Laufbändern an der Gepäckausgabe. Vorsichtig legt man sie darauf nieder.

Hiermit endet allerdings die liebevolle Rücksichtnahme auf die ehemaligen Fluggäste. Zu Beginn der Rundfahrt an den auf ihre Koffer wartenden Leuten vorbei schnappen sich die Flugplatzangestellten, die das Gepäck aufs Laufband befördert haben, Eimer mit eiskaltem Wasser und spendieren den lebenden Flugleichen eine extrem schockierende Dusche. Die quietschen los, werden urplötzlich wieder dermaßen putzmunter, dass sie in ungeahnter Sportlichkeit vom Laufband herunter und zurück in die Senkrechte schnellen.

In den nachfolgenden Minuten ist vom Flugplatzpersonal weit und breit nichts mehr zu sehen ...

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